Vitola – Das Format der Zigarre

Große, kleine, dicke, dünne…was wie ein Kinderlied beginnt beschreibt die Formenvielfalt der Zigarren. Mit dem kubanischen Begriff „Vitola“ werden diese Abmessungen zusammengefasst.

Im engeren Sinne bezieht sich die Vitola nur auf Zigarrenformate kubanischer Zigarren, aber Hersteller anderer Länder orientieren sich durchaus an den gängigen Formaten. Auf Kuba wird dann noch zwischen der „Vitola de Galera“ und der „Vitola de Salida“ unterschieden. Frei übersetzt bezeichnet die Vitola de Galera das „Werksformat“ („Galera“ stammt wohl von den galeerenartigen Arbeitsräumen in den Zigarrenfabriken). Eine Zigarrenfabrik kann Vitola de Galera für verschiedene Firmen herstellen. 1980 hat man die Vitolas de Galeras vereinheitlicht, so dass inzwischen „nur“ noch 72 Vitolas existieren. Es gibt aber, wie eingangs gesagt, auch noch die „Vitola de Salida“, also die „Verkaufsformate“. Man könnte auch sagen die Handels- oder bzw. Verkaufsnamen.

Ein Beispiel: Eine bekannte Zigarre der Marke/Firma Romeo y Julieta heißt als Vitola de Salida „Churchill“ und trägt als Vitola de Galera den Namen „Julieta No.2“. Allerdings ist das (Zigarren-)Leben, wie immer, im Detail etwas komplizierter: Da verschiedene Firmen für Romeo y Julieta produzieren, gibt es für die gleiche Zigarre auch noch die Vitola de Galera „No. 609“. Und, weil das Churchill-Format so beliebt war (und ist) gibt es andere Zigarrenmarken, die nun auch „Churchills“ verkaufen, die sich aber in Tabakzusammensetzung und Wicklung unterscheiden.

Endgültig verwirrt? Das macht nichts, so ging es mir zu Anfang auch!

Wer eine vollständige Listen aller kubanischen Vitolas sucht, dem sei diese Übersichtsseite ans Herz gelegt.

Jedoch zurück zu den allgemeinen Formaten einer Zigarre:

Als erstes ist der Durchmesser einer Zigarre (gemessen an der dicksten Stelle bei ungleichmäßigen Exemplaren) ein wichtiges Merkmal. Der Durchmesser oder das Ringmaß („Ring – Gauge“; Aussprache „ring geidsch“) wird traditionell als 64zigster Teil eines Inch ausgedrückt. Eine Zigarre mit einem Ringmaß von 50 hat also 50/64 Inch Durchmesser oder einen Durchmesser von 19,8 mm (fast 2 cm).

Als Faustregel gilt übrigens, dass kleinere Formate (mit kleinerem Ringmaß) eine dichtere Aromenstruktur aufweisen und vielleicht auch pikanter daherkommen als eine Zigarre gleichen Tabaks in einem größeren Format (mit größeren Ringmaß). Ein „dicker Brummer“  hat also oft ein milderes Aroma als so mancher Zigarillo. Man erklärt sich das so, dass bei einem kleineren Ringmaß weniger Luft am Tabak vorbei strömt und der Rauch dadurch weniger „verdünnt“ wird. Aber natürlich ist das Ringmaß nur ein Faktor von vielen, nicht zuletzt der Tabak oder die Festigkeit der Wicklung spielen z.B. eine wichtige Rolle (deshalb ist es ja auch nur eine grobe Faustregel).

Und natürlich beeinflusst auch die Länge der Zigarre das Aroma. Zunächst einmal beeinflusst die Länge natürlich die Brenndauer und somit die Dauer des Genusses. Anfänger können von einem langen Raucherlebnis durchaus überfordert sein. > 60 Minuten rauchen am Stück muss man erst einmal „verkraften“ können. Daher werden Anfängern zunächst eher kurze Zigarren anstatt lange Zigarren empfohlen.

Allerdings hängt die Rauchdauer auch von der Dicke ab: Die Rauchdauer ist bei einer Robusto (Länge 125mm, Durchmesser 20mm) ähnlich lang wie bei einer Panatela (Länge 180mm, Durchmesser 14mm ). Der Unterschied liegt hier dann eher in der Wärmeentwicklung. Durch den größeren Durchmesser raucht sich eine Robusto kühler als eine Panatela. Kühlerer Rauch löst andere Bestandteile des Tabaks als heißerer Rauch. Kühlerer Rauch wird meist als milder empfunden, heißerer Rauch oft als komplexer. Ein Exot unter den Formaten ist die Torpedo bzw. die Pyramide. Durch den sehr großen Durchmesser ist der Rauch zu Beginn sehr kühl und konzentriert sich zum Ende hin.

Zigarren

Mit der Erwähnung der Pyramide (auch „Piramide(s)“, „Pirámide(s)“) und der Torpedo ist noch ein weiterer Aspekt der Vitola anzusprechen: Die Form der Zigarre.

Ganz grundsätzlich unterscheidet man zwischen „Parejo“ und „Figurado„. Diese spanischen Begriffe bezeichnen Zigarren, die gleichmäßig, meist zylindrisch, sind (= parejo) bzw. Zigarren, deren Enden spitz zulaufen (= figurado). Die meisten heute bekannten und populären Zigarrenformate, wie Robusto, Churchill, Corona, etc. sind Parejo, haben also das gleiche Ringmaß über die ganze Länge.

Zu den Parejo gehören auch „boxpressed“ Zigarren (auch „spanish pressed“ oder „trunk pressed“). Es handelt sich hierbei um ursprünglich zylindrische Zigarren, die in die Zigarrenbox gepresst wurden und dadurch nicht mehr rund sind, sondern eine leichte bis stark quadratische Form haben. Die Produktion der boxpressed Zigarren unterscheidet sich dabei auch etwas von ihren runden Schwestern. Denn damit die Vitolas durch die Pressung keine Risse in den Deckblättern oder ähnliches bekommen, werden die boxpressed Zigarren „loser“ gerollt. Dadurch enthalten sie zwar etwas weniger Tabak, bleiben dadurch aber besser formbar.

Die Pyramide, Torpedo und Perfecto gehören zur Kategorie der Figurado, da sie am Kopf spitz zulaufen (Pyramide, Torpedo) oder sich gar an Kopf und Fuß verjüngen (Perfecto), letztere wird daher auch als „Doppelfigurado“ bezeichnet. Das Perfecto-Format representiert eigentlich die klassischere Zigarrenform und gehörte im 19. Jahrhundert noch zu den häufigsten Formaten. Heute ist das Format seltener zu finden. Der kubanische Zigarrenhersteller Cuaba stellt bis heute ausschließlich Doppelfigurados her. Diese Perfecto Zigarren sind bei Kennern beliebt.

Eine weitere Ausnahme bildet die so genannte Culebra-Zigarrenform. Hierbei handelt es sich um meist drei Zigarren, die miteinander verflochten sind. Werden sie entwirrt, haben die Zigarren einen spiralförmigen Körper. Ein „Hingucker“ sind diese Exoten allemal, der Abbrand und Zug sind hier eher unwichtig, bei diesem Format ist eine Ungleichmäßigkeit nicht auszuschließen. Es gibt durchaus Vertreter mit ansprechendem würzigen Aroma, z.B. die „La Flor Dominicana Culebra Especial„.

Nennenswert sind auch die verschiedenen Mundstücke (auch „Kopf“ oder „Capa“). Eine Torpedo, zum Beispiel, hat durch die spitze Form des am Munde anliegenden Teils der Zigarre einen wesentlichen Einfluss auf das Geschmacks- und Raucherlebnis. Oft wird für die Geschmacksentfaltung folgende Theorie aufgestellt: Die Aromen der am Fuße entzündeten Zigarre werden durch den Zug des Rauchers in Richtung Mundstück transportiert. Im Bereich des Mundstücks wird dieser Bereich verengt, wodurch die Aromen durch den engen Tunnel komprimiert werden und theoretisch konzentrierter zu den Geschmacksknospen gelangen.

Zum Abschluss noch ein paar Beispiele (und Rauchanregungen) zum Ausprobieren bestimmter Vitolas. Die Unterschiede sind erstaunlich:

1. Churchill

Romeo y Julieta Churchills sind wohl die berühmtesten Zigarren im Portfolio dieser Marke. Manche behaupten sie seien nach Winston Churchill benannt, da dieser sie so gerne rauchte. Das kann man allerdings getrost als Marketing-Gag abtun, da Churchill vor allem die Pyrámide bevorzugte (er rauchte aber im Grunde alles). Dennoch ist dieses Format, 7 Inches (178 mm) Länge bei einem Ringmaß von 47 (18,65 mm Durchmesser) (Eselsbrücke: „Boeing 747“), inzwischen sehr beliebt. Eine Zigarre, die sich bestens eignet für lange Gesprächsabende mit Freunden und guten Getränken. Die Churchill variiert je nach Alter in ihrer Stärke, es gibt sehr milde, aber auch äußerst kräftige Exemplare, allen gemein ist aber ein sehr ausgewogener, würzig-komplexer klassischer Cuba-Geschmack. Da dieses Format sehr beliebt ist, gibt es sie inzwischen auch von anderen Herstellen, z.B. die Davidoff Sir Winston Churchill.

2. Pirámide (oder „Pyramide(s)“ oder „Piramide(s)“)

Die Montecristo No. 2 ist das zweite der fünf ursprünglichen Formate, mit denen die Marke 1935 von Alonso Menéndez gegründet wurde. Es ist eine klassische Pirámide. Das Format hat ein 52er Ringmaß (20,64 mm Durchmesser) und eine Länge von 156 mm, und bietet ein rundes, ausgewogenes Geschmackserlebnis. Das große Ringmaß sorgt für satten, vollen Rauch, und das Anschneiden der Spitze lässt den Aficionado die Intensität des Rauches ganz nach Belieben selbst bestimmen. Die Rauchdauer ist eine gute Stunde. Aufgrund der Spitze lässt sich das übergroße Ringmaß trotzdem angenehm rauchen.

3. Perfecto

Die Davidoff Escurio Gran Perfecto ist in meinen Augen ein wunderbarer Vertreter dieses Formats. Früher waren fast alle Zigarren so geformt, heute gilt das Format eher als Exot. Das dunkelbraune Ecuador Deckblatt duftet würzig, schokoladig. Umschlossen wird dieses von einem brasilianischen Cubra Umblatt, unter dem sich eine Einlagemischung aus dominikanischen San Vincente, Olor und Piloto Tabaken sowie Criollo und Mata Fina Tabaken aus Brasilien befindet. Diese durchaus kräftige Mischung sorgt für einen von intensiven Aromen geprägten Genuss. Man schmeckt süß-würzig unterlegte Frucht-, Erd-, Leder- und Zartbitterschokoladearomen. Ein unaufdringlicher Pfefferton tritt im zweiten Drittel hinzu und verleiht zusätzlich Tiefe. Das Finale ist geprägt von einem komplexen Zusammenspiel aller im bisherigen Rauchverlauf auszumachender Aromen.

4. Corona Especiales (auch Panetela)

In diesem Format ist z.B. die Cohiba Zigarren Coronas Especiales zu empfehlen. Die besonderheit dieses Formates ist das „pigtail“ (= Schweineschwänzchen) am Kopf der Zigarre, welches nur bei diesem Format zu finden ist. Die sehr elegante Cohiba Coronas Especiales ist die kleine Schwester der ersten aller Cohibas, der berühmten Lancero. Als ein Laguito No. 2 – Format verfügt sie mit einem 38er Ringmaß über den gleichen Durchmesser wie die Lancero (15,08 mm), ist mit 152 mm Länge aber genau 40 mm kürzer. Mit Bedacht geraucht, bietet die Coronas Especiales dem Freund klassischer, eleganter Formate ca. 45 min- 1 Stunde höchsten Rauchgenusses. Das Aroma der Coronas Especiales ist geprägt von grasigen Noten, kombiniert mit einem milden Tabakgeschmack mit angenehmen Röstaromen. Diese entfalten sich besonders gut, wenn man die Zigarre mit Geduld raucht, ohne sie zu überhitzen.

5. Corona 

Ein klassischer Vertreter der Corona ist die Montecristo No. 3. Es ist eines der beliebtesten Formate überhaupt. Das Format hat ein 42er Ringmaß (16,67 mm Durchmesser) mit einer Länge von 142 mm, und bietet einen gleichmäßigen, zuverlässigen Rauchgenuss. Früher galt dieses Format als eines der dickeren, heute, aufgrund des Trends zu dickeren Zigarren, gehört sie eher zu den schlankeren, eleganteren Zigarren. Freunde der No. 3 schätzen besonders das runde, ausgewogene Geschmackserlebnis. Die Corona eignet sich sowohl für Anfänger als auch erfahrene Raucher. Mittelstark, aber mit dem vollen, typischen Montecristo-Geschmack, vermag sie für rund 60 Minuten rauchiges Vergnügen zu bereiten.

6. Petit Corona (auch „Mareva“ in Kuba)

Wie der Name schon sagt, ist dies die „kleine Schwester“ der Corona. Sie hat das gleiche Ringmaß wie die Corona (42), ist aber kürzer. Kennedy soll diese Marke besonders bevorzugt haben. Ich empfehle hier die Partagas Petit Coronas Especiales. In der Länge misst sie 13,2 Zentimeter. Geschmacklich erkennt man Kaffee und Nuss. Angeführt werden diese Noten allerdings von einem tiefen erdigen Aroma. Später kommen Pfeffer-Aromen dazu. Der Zugwiderstand in kaltem Zustand ist in Ordnung, entwickelt sich aber mit den ersten Zügen ins Positive. Die Partagás Petit Coronas Especiales kommt leicht boxpressed aus der Kiste.

7. Double Corona („Doble Corona“)

Wenn die „Petit Corona“ die kleine Schwester ist, dann ist die Double Corona der große Bruder der Corona. Die Partagás Lusitanias ist eine guter Vertreter dieser Vitola. Mit einem Ringmaß von 49 und einer Länge von 194 mm ist sie beeindruckend und sorgt für ein Raucherlebnis von > 80 Minuten bis 2 Stunden. Perfekt für lange Gesprächsrunden in guter Gesellschaft. Man sollte also Zeit und Geduld für diese Zigarre mitbringen. Geduld benötigt man, da das Großformat vor allem im ersten Drittel oft geschmacklich sehr zurückhaltend ausfällt. Das hängt mit der Länge der Zigarre zusammen. Der viele Tabak wirkt als Filter und kühlt den Rauch ab. Daher empfehel ich auch die Partagas. Partagas sind grundsätzlich geschmacklich eher schwer und tragen ein eher erdiges Aroma. Die starke Zigarre ist nicht unbedingt für Einsteiger empfehlenswert, Kenner schätzen aber den unverwechselbaren üppigen und intensiven Charakter der die Seele klassischer Habanos wiederspiegelt.

8. Robusto 

Hier ist als ein typischer Vertreter die Cohiba Robusto zu nennen, ein echter Klassiker innerhalb des Cohiba-Sortiments. Fast jeder Hersteller hat eine Robusto in seinem Portfolio (z.B. Partagas D No. 4; Ramón Allones Specially Selected; etc.). Das klassische Format mit einem ordentlichen Ringmaß von 50 (19,84 mm Durchmesser) und einer relativ kurzen Länge von 124 mm zählt zu den weltweit beliebtesten Formaten. Die Robusto ist eine der kräftigeren Zigarren der Marke Cohiba. Die grasigen Noten sind hier kombiniert mit kräftigen und erdigen Röstaromen. Die Rauchdauer beträgt 45-60 Minuten.